Zurück auf die Überholspur – JETZT richtig handeln!
Im Folgenden erlaubt sich der Österreichische Raiffeisenverband, in Abstimmung mit seinen Mitgliedsbetrieben detaillierte Vorschläge und Forderungen für ein erfolgreiches Comeback der österreichischen Wirtschaft zu geben.
Zentrale Aussagen
Nach dem durch die Corona-Pandemie ausgelösten stärksten Wirtschaftseinbruch in der zweiten Republik sind jetzt mutige Weichenstellungen für ein Comeback der Wirtschaft in unserem Land notwendig. Wir müssen aus dem Krisenmodus herauskommen und Zukunftsstrategien entwickeln.
Das Comeback der Wirtschaft muss als Chance zur Veränderung genutzt werden. Es gilt, die bisherigen Schwachstellen zu erkennen und die richtigen Impulse zum Besseren zu setzen. Der Wirtschaftsstandort Österreich soll gestärkt aus der Krise herauskommen, denn eine starke Wirtschaft ist der beste Garant für Wohlstand und soziale Sicherheit.
Zur Sicherung des Aufschwungs braucht es eine investitionsgetriebene Wachstumsstrategie. Wir müssen uns aus dieser Krise herausinvestieren, denn Investitionen stärken den Glauben an die Zukunft, schaffen Arbeitsplätze und sichern die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes.
Es ist zu begrüßen, dass die Bundesregierung das Wirtschaftssystem nachhaltig digitalisieren und ökologisieren möchte. Dieses Konzept bringt langfristig ein gewaltiges Wachstums- und Arbeitsplatzpotential mit sich. Kurzfristig benötigen wir aber eine echte Offensive für die Eigenkapitalfinanzierung. Einige Betriebe werden ohne Stärkung des Eigenkapitals nur schwer den Weg aus der Krise finden. Ein Maßnahmenpaket zur Eigenkapitalstärkung muss die Abschaffung der steuerlichen Diskriminierung von Eigenkapital ebenso enthalten wie die Schaffung eines Investmentfonds für Risikokapital.
Damit der Aufschwung auch den Ländlichen Raum erfasst, sind nachhaltige Investitionen in den öffentlichen Verkehr, in die Infrastruktur und den Breitbandausbau zu fördern. Bildung, Vermarktung und Kommunikation sind gerade für diese Regionen von existentieller Bedeutung. Klimaschutz wird eine weitere tragende Säule bei den geplanten Investitionen sein müssen, wobei der Investitionsprämie, der Dekarbonisierung von Heizungen, der Kreislaufwirtschaft und der Forschung (Wasserstoff, Saatgut) eine zentrale Rolle zukommt.
Zur Ankurbelung der Konjunktur muss es in der angekündigten Steuerreform aber auch eine Senkung der Abgabenquote geben. Das gilt für die Lohnsteuer ebenso wie für die Körperschaftssteuer, Kapitalertragssteuer und die Lohnnebenkosten. Diese Schritte sind bereits im Regierungsprogramm enthalten und sollten jetzt zur Stützung des Aufschwungs auch rasch umgesetzt werden. Neue Steuern wären hingegen Gift für die Wirtschaft und ein Hemmnis für den Aufschwung.
Nicht zuletzt sei erwähnt, dass gerade genossenschaftliche Unternehmen sich in der Krise als besonders stabil und zugleich anpassungsfähig erwiesen haben. Zudem bieten sie mit ihrem langfristig bewährten Organisationsmodell Antworten auf wesentliche Zukunftsfragen Etwa: Was ist die Antwort auf grenzenlose Globalisierung? Regionalität! Was die Antwort auf den zunehmenden Raubbau an Ressourcen? Nachhaltigkeit! Und worin liegt eine Lösung für die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich? Beteiligung! Vor diesem Hintergrund ist uns die Stärkung wie auch die weitere Verbreitung der genossenschaftlichen Rechts- und Organisationsform ein besonderes Anliegen.
Hier die detaillierten Vorschläge und Forderungen für ein erfolgreiches Comeback der österreichischen Wirtschaft:
Stärkung des Eigenkapitals
Private Equity Investitionen
Nach der durchgestandenen COVID-19-Krise werden einige Unternehmen auf Eigenkapitalfinanzierungen angewiesen sein. Daher sollten Private Equity-Investitionen durch institutionelle Anleger gefördert werden. Das gilt insbesondere für regionale Fonds als Wirtschaftsmotoren für Hotellerie, Tourismusbetriebe und KMUs. Durch das Schaffen entsprechender rechtlicher und steuerlicher Rahmenbedingungen, wie etwa dem Ausstellen von Kapitalgarantien, sollten Private Equity Investitionen für institutionelle Anleger vereinfacht und das Investitionsrisiko vermindert werden.
Eigenkapitalfonds
Auf europäischer Ebene sollte ein EU-Eigenkapitalfonds eingerichtet werden, der sich an Unternehmen, insbesondere aus strategisch wichtigen Sektoren (z.B. Digital- und Klimatechnologie), beteiligt. Insbesondere privates Kapital könnte über den EU-Eigenkapitalfonds mobilisiert werden, um so die unternehmerische Eigenkapitalbasis zu stärken.
Fiktive Eigenkapitalzinsen
Investitionen in unternehmerisches Eigenkapital sollten durch die Einführung fiktiver Eigenkapitalzinsen, die steuerlich abgesetzt werden können, verbessert werden. Hier könnte man sich an der steuerlichen Absetzbarkeit von Zinsen bei Fremdkapitalfinanzierungen orientieren.
Steuerpolitik
Keine neuen Steuern
Neue Steuern (insb. Vermögen- und Wertschöpfungsabgabe, Erbschafts- und Schenkungssteuer, Finanztransaktionssteuer) sind in Anbetracht der derzeitigen wirtschaftlichen Situation Gift für die ökonomische Erholung Österreichs und müssen jedenfalls vermieden werden. Österreich ist ohnehin bereits ein Hochsteuerland. Die Steuer- und Abgabenquote lag 2019 bei 49 % (in Relation zum BIP). Diese hohe Steuerbelastung wirkt abschreckend auf Investoren und für Firmenansiedlungen, was sich wiederum negativ auf den Erhalt und die Schaffung von Arbeitsplätzen in unserem Land auswirkt.
Abschaffung der kalten Progression
Die kalte Progression ist faktisch nichts anderes als eine versteckte Steuererhöhung, die automatisch dann entsteht, wenn die progressiven Steuertarife nicht an die Inflation angepasst werden. Die kalte Progression sollte daher möglichst rasch für sämtliche Steuerzahler durch die jährliche Anpassung der Tarifstufen und der Steuerabsetzbeträge an die Inflation abgeschafft werden. Das gleiche gilt für die automatische Anpassung von Gebühren.
Mitarbeiterbeteiligung stärken
Derzeit besteht für die Beteiligung von Mitarbeitern am Gewinn eines Unternehmens keine steuerliche Begünstigung. Analog der steuerlichen Begünstigung für Kapitalbeteiligungen von Mitarbeitern am Unternehmen, sollte auch die Möglichkeit der Beteiligung der Belegschaft am Unternehmensgewinn in der Höhe von maximal 10% des Jahresgewinns und bis zu 5.000 Euro jährlich pro Arbeitnehmer und Arbeitnehmerin gesetzlich verankert werden. Für die begünstigte Mitarbeitererfolgsbeteiligung sollten weder Lohnsteuer, Sozialversicherungsbeiträge noch Lohnnebenkosten anfallen.
Digitalisierung
In der Pandemie wurden zahlreiche Wirtschaftsabläufe auf digitale Kanäle umgestellt (Click&Collect, Online Shops, Videokonferenzen, Webinare, ...). Vieles hat sich bewährt und wird auch nach der Pandemie erhalten bleiben. Das erfordert einerseits die Förderung von Investitionen auf Seiten der Anbieter (um gegen Amazon & Co gerüstet zu sein), jedenfalls aber den Ausbau leistungsfähiger Netze (vor allem in den strukturschwachen Gebieten, Stichwort: 5G, Breitband).
Engergiewende
Der Wiederaufbau muss genutzt werden, um veraltete, überkommene Technologien und System durch neue, zukunftsfite Lösungen zu ersetzen. Dies gilt insbesondere für den Energiebereich, wo erneuerbare Energiequellen die bisherigen umweltschädlichen fossilen Energieträger ablösen müssen. Daher sind hier (endlich) die gesetzlichen Grundlagen für bereits einsatzfähige Technologien zu schaffen (Stichwort: EAG), andererseits ist verstärkt in F&E zu investieren (Stichwort: Wasserstoff), damit Europa in diesen Zukunftsthemen nicht den Anschluss an China und USA verliert.
Gesellschaftsrecht
Für ein wirtschaftliches Comeback werden wir ein Gesellschaftsrecht benötigen, das Neugründungen erleichtert und damit die wirtschaftliche Innovationskraft fördert. Einen wichtigen Beitrag dazu können auch Erleichterungen im Genossenschaftsrecht leisten.
So sollte die bisher nur im Bankbereich bestehenden Möglichkeit zur Abschaffung der Nachschusspflicht wie in Deutschland auf alle Genossenschaften ausgedehnt werden. Dies ist insbesondere wichtig für die zu erwartende Gründerwelle bei Photovoltaikgenossenschaften. Außerdem sollte man überflüssige Firmenbucheintragungen (zB die Eintragung der Durchführung der Revision) streichen und die Genossenschaften dadurch kostenmäßig entlasten und attraktiver machen.
Europäische Union
Wir bekennen uns zu einer starken und funktionsfähigen Europäischen Union. Gerade ein kleines Land wie Österreich profitiert durch die EU-Mitgliedschaft besonders. Es ist jedoch von großer Bedeutung, dass die kleinstrukturierte österreichische Wirtschaft weiterhin erhalten bleiben kann und ihre Funktionsfähigkeit nicht durch zentralistische EU-Regulierungen geschädigt wird. Dies gilt für die österreichische Landwirtschaft ebenso wie für die regionalen Banken in unserem Land.
EU: Internationale Handelsabkommen
Der Handel ist die Grundlage jeder wirtschaftlichen Tätigkeit. Als exportorientiertes Land hat Österreich naturgemäß ein großes Interesse an einem stabilen und verlässlichen Rechtsrahmen für den Handel mit anderen Ländern. Dabei dürfen jedoch Klimaschutz und Arbeitsschutz-Standards nicht unterlaufen werden. Es muss daher gleiche und faire Rahmenbedingungen für alle Seiten geben.
EU: Basel IV mit Weitblick umsetzen
Im Dezember 2017 hat der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht (BCBS) den Vorschlag zur Überarbeitung des Standardansatzes von Kreditrisken veröffentlicht (‘Basel IV’). Besonders die vorgeschlagenen höheren Risikogewichte für Beteiligungen von Banken sowie bei Immobilien- und Retailfinanzierungen würden zu einer wesentlichen Verteuerung dieser Finanzierungsformen führen.
Immobilienfinanzierung
Darüber hinaus sehen die Basel IV-Standards signifikante Zuwächse an Eigenmittelanforderungen bei Wohn- und Gewerbeimmobilienfinanzierungen vor. Dies würde sich äußerst negativ auf die Nutzung von Immobilien als Sicherheiten auswirken und zu weniger Immobilienfinanzierungen führen.
Bei den durch Wohn- und Gewerbeimmobilien besicherten Kreditforderungen haben die Aufsichtsbehörden schon jetzt auf Basis der CRR die Möglichkeit, die Risikogewichte bei dieser Risikopositionsklasse zu erhöhen. Daher besteht auch hier kein erkennbarer Bedarf an einer Änderung des bestehenden CRR-Regimes.
Retailkredite
Für die Beibehaltung des begünstigten Risikogewichts von 75% bei Retailkrediten wird vorgeschlagen, dass keine einzelne Retailforderung mehr als 0,2% des Gesamtportfolios aller Retailforderungen ausmachen darf. Dieses zusätzliche Kriterium („Granularitätskriterium“) benachteiligt insb kleine Banken und sollte wie bisher eine bloße Empfehlung des Basler Ausschusses bleiben.
Inkrafttreten
Um die für den Wiederaufbau in Europa notwendige Finanzierung der Realwirtschaft durch die Banken sicherzustellen, sollte das Inkrafttreten der Umsetzung des Basel IV-Regelwerks um einen Konjunkturzyklus (3 bis 5 Jahre) verschoben werden. Die im Basel IV-Standard vorgesehenen Übergangsbestimmungen sollten in weiterer Folge auch erst ab diesem Zeitpunkt zu laufen beginnen.
EU: Nachhaltige Finanzierung (Green Deal)
Wir unterstützen ausdrücklich sämtliche politischen Zielsetzungen zur Schaffung einer nachhaltigen Finanzierung der europäischen Wirtschaft. Dazu braucht es einer gemeinsamen Kraftanstrengung von sämtlichen Industriezweigen, Staaten und auch privaten Haushalten in Europa. Als Genossenschaftssektor verstehen wir unter nachhaltigem Wirtschaften die langfristige wirtschaftliche Förderung der Interessen unserer Mitglieder und der ländlichen Regionen. Nicht zuletzt durch die Tätigkeit von Genossenschaften werden Arbeitsplätze in den Regionen erhalten. In diesem Sinne wird Genossenschaften nicht umsonst in der UNO-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung eine maßgebliche Rolle bei der Umsetzung eines dauerhaften und nachhaltigen Wirtschaftswachstums sowie produktiver Vollbeschäftigung beigemessen.
EU: Finanzierung von KMUs
Die überschießenden regulatorischen Verpflichtungen der Banken beeinträchtigen die Finanzierungen von kleinen und mittleren Unternehmen (KMUs). Besonders die kleinen Wirtschaftssysteme in Europa beruhen auf einer Finanzierung durch kleine Regionalbanken. Deren Stärkung ist für einen ökonomischen Aufschwung in Europa mehr denn je erforderlich.
EU: Investitionsschutzabkommen
Ein positives Investitionsklima ist für die Funktionsfähigkeit des europäischen Binnenmarkts von großer Bedeutung. Die EU-Mitgliedstaaten sind jedoch übereingekommen, alle untereinander abgeschlossenen, bilateralen Investitionsschutzabkommen zu kündigen. Die ersatzlose Kündigung dieser Investitionsschutzabkommen würde jedoch zu einer Lücke im Investitionsschutz für die betroffenen Unternehmen führen. Es braucht daher – wie im Aktionsplan der Kommission zur EU-Kapitalmarktunion angekündigt – einen angemessenen Rahmen für den Schutz innereuropäischer Investoren als Nachfolger der auslaufenden Investitionsschutzabkommen. In diese neuen Regelungen zum Investitionsschutz sollten insbesondere folgende Rechte eines Investors einfließen:
- das Recht den Mitgliedstaat zu klagen
- das Recht zur Anrufung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH)
- das Recht zur Erlangung eines gegen einen Mitgliedstaat durchsetzbaren Titels